Offshore-Windpark Alpha Ventus © Doti / Matthias Ibeler

Die Nordsee wurde noch nie so intensiv bewirtschaftet wie heute. Für die Krabbenfischer sind deshalb jede Menge Fanggebiete verloren gegangen. Wie verschiedene Nutzungen kombiniert werden können, untersuchen Wissenschaftler des Thünen-Instituts aus Bremerhaven.

In der Nordsee werden freie Räume immer knapper. Der Wettbewerb um den Meeresraum vor den niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Küsten hat in den vergangenen Jahren richtig Fahrt aufgenommen: Da mussten Verklappungsgebiete her, um das Baggergut für die Vertiefungen der Elbe oder der Ems loszuwerden. Jede Menge Datenkabel, Strom- und Gasleitungen wurden im Meeresboden vergraben, damit an Land Digitalisierung und Energieversorgung klappen. Weithin sichtbares Zeichen der Nordsee-Nutzung sind die Windparks. 2010 hat der erste Hochseewindpark „Alpha Ventus“ mit zwölf Mühlen seinen Betrieb aufgenommen. Seitdem sind in Nord- und Ostsee fast zwei Dutzend Windparks mit mehr als 1.300 Windrädern ans Netz gegangen.

Windparks, Kabeltrassen, Schüttstellen: Für die Krabbenfischer werden die Fanggebiete immer kleiner. Speziell rund um oder in Windparks dürfen sie aus Sicherheitsgründen nicht fischen. Weil die Nutzung künftig eher zu- als abnimmt, bekommt die Idee, verschiedene Nutzungen miteinander zu kombinieren, Rückenwind. Wie vertragen sich Energieerzeugung und Fischerei? Das Bremerhavener Thünen-Institut hat im November ein Symposium veranstaltet. Thema: „Marine Ressourcen und Windparks“. Auf der Agenda standen verschiedene Fragen: Wie wirken sich die Windparks auf das Ökosystem aus? Wachsen hier kommerziell nutzbare Fischarten heran? Und wie kann die Fischerei die neuen Ressourcen in der Umgebung von Offshore-Windparks nutzen?

Bekannt ist, dass sich einige Fischarten in Windparks sehr gut entwickeln. Thünen-Wissenschaftlerin Dr. Antje Gimpel erklärt: „Im Juni haben wir in und um den Windpark ‚Meerwind Süd/Ost‘ nördlich von Helgoland Proben genommen und konnten Kabeljau und Taschenkrebse fangen. Jetzt fragen wir uns: Kommt der Kabeljau zum Fressen in den Windpark oder laicht er dort auch? Wohin wandern die Taschenkrebse, die rund um die Windturbinen heranwachsen? Wann könnte gefischt werden – ohne die nächste Generation zu gefährden?“ Das Ökosystem unter Wasser ist komplex, die Entwicklung der Bestände immer von vielen verschiedenen Faktoren abhängig.

Ob Krabbenfischer eines Tages Taschenkrebse fangen? Könnte sein, konkrete Empfehlungen gibt es aber noch nicht. Im Frühjahr will das Thünen-Team erste Ergebnisse vorlegen. Und auch an Land sind noch Fragen offen. In Deutschland werden Taschenkrebse bisher ausschließlich in Helgoland angelandet. Dort sind Taschenkrebse eine Delikatesse, im Rest der Republik ist das würzig-nussige Fleisch des Krebses hingegen weitgehend unbekannt. Ob eine regionale oder lokale Vermarktung möglich ist, diskutieren die Wissenschaftler deshalb mit dem Deutschen Fischereiverband, die Interessenvertretung ist eingebunden in das Forschungsprojekt.

Bis alle Fragen beantwortet sind, wird noch Zeit ins Land gehen. Klar ist: In Zukunft wird der Druck, Nutzungen zu kombinieren, weiter steigen. Denn der Ausbau der Offshore-Windkraft geht weiter. Derzeit liefern die Windparks in Nord- und Ostsee rund sieben Gigawatt Strom. Bis 2030 soll sich deren Leistung auf 20 Gigawatt quasi verdreifachen. Das hat die Bundesregierung gerade beschlossen.

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