Dr. Jörg Berkenhagen. Copyright: C. Waitkus, Thünen-Institut.

Interview mit Dr. Jörg Berkenhagen vom Hamburger Thünen-Institut für Seefischerei

Kaum kalkulierbare Erlöse, Familienbetriebe ohne große Reserven und sehr hohe Investitionssummen für Schiffsneubauten – aber die Krabbenfischerei hat sich von dem Einbruch 2011 erholt und wirtschaftlich erfolgreiche Jahre hinter sich: So skizziert Dr. Jörg Berkenhagen vom Hamburger Thünen-Institut für Seefischerei die wirtschaftliche Situation der Krabbenfischer. Der Wissenschaftler analysiert die ökonomischen Daten der gesamten deutschen Fischereiflotte. Das Positive an den Nordseegarnelen? „Die Krabbe ist ein einzigartiges Produkt. Mit nichts in der Welt steht sie im Wettbewerb. Das ist natürlich ein Vorteil für die Fischer.“


Wie hat sich die wirtschaftliche Situation der Fischer in den letzten Jahren entwickelt?

Typisch für die Krabbenfischerei ist, dass die Fänge schwanken. Durchschnittlich fangen die deutschen Krabbenfischer um die 15.000 Tonnen Krabben im Jahr – mal etwas mehr, mal etwas weniger. Entscheidend für die Fischer sind aber nicht die Fänge allein, sondern insbesondere die Preise, die sie erzielen. Für letztes Jahr zum Beispiel sah das – trotz halbierter Fangmenge – nach einem sehr guten Geschäft aus. Pro Schiff ergibt sich ein Erlös von 272.312 Euro. Zum Vergleich: 2011 haben die Krabbenfischer gerade einmal 133.645 Euro pro Schiff erlöst. Das war natürlich nicht auskömmlich. Grundsätzlich kann man die vergangenen Jahre nach dem großen Einbruch 2011 eher als fettere Jahre sehen.


Wie kommt es zu diesen großen Preisunterschieden?

Im letzten Jahr gab es tatsächlich sehr wenig Krabben und die Preise schnellten nach oben. Aber für die Jahre davor lässt sich bei den Krabben kaum eine Abhängigkeit von Preis und Anlandemenge feststellen. Nach dem Katastrophenjahr 2011 konnten die Fischer im darauf folgenden Jahr den doppelten Preis erzielen – und haben die gleiche Menge Krabben gefischt. Die Preisbildung ist also sehr schwer nachzuvollziehen und das macht eine Kalkulation für die Fischer sehr schwierig. Sie können kaum abschätzen, wie hoch ihr Gewinn am Ende der Saison ist.


Wie sehen die Betriebsstrukturen aus?

Wir haben fast ausschließlich Familienbetriebe. In der Regel ist der Eigner der Kapitän und wird dann je nach Größe von ein bis zwei Decksleuten unterstützt. Die Fischer sind mit Herzblut dabei – und das müssen sie auch. Denn der Fischer ist ein Ball auf den Wogen. Er macht jede Höhe und jede Tiefe mit. Bei dieser Struktur gibt’s dann verständlicherweise eine gewisse Zurückhaltung hohe Kredite aufzunehmen – zum Beispiel für ein neues Schiff.


Wie alt ist denn die Schiffsflotte?

Der Altersdurchschnitt der Krabbenkutter liegt im Moment bei etwa 40 Jahren und das steigt jedes Jahr. Vor etwa sieben Jahren gab es den letzten Neubau. Es gibt Kutter, die wurden in den 1950er Jahren gebaut. Das ist fast ein bisschen erschreckend. Man wird so nicht ewig weitermachen können. Allerdings ist das Baujahr nicht der einzige Maßstab. Einige Fischer haben den Schiffsrumpf mit neuen Maschinen bestückt. Die Schiffe können also auf einem relativ modernen Stand sein, auch wenn der Rumpf alt ist. Wie viele der etwa 200 Schiffe so aufgerüstet sind, kann ich allerdings nicht sagen. So ein Schiffsneubau ist eine riesige Investition. Und so lange der Kutter funktioniert gibt’s auch nur bedingt Gründe in ein neues Schiff zu investieren. Und: Früher gab es Investitionsbeihilfen vom Staat. Davon haben sich die Fischer neue Schiffe gekauft. Diese Förderung gibt’s seit einiger Zeit nicht mehr.


Wie ist die Branche insgesamt für die Zukunft gerüstet?

Für diese Frage spielen einige Faktoren zusammen. Zunächst erst einmal: Die Krabbe ist ein einzigartiges Produkt. Mit nichts in der Welt steht sie im Wettbewerb. Es gibt sie nur in der südlichen Nordsee. Das ist grundsätzlich erst einmal gut. Problematisch ist die geringe Flexibilität der Branche. Ein Krabbenfischer fischt meist ausschließlich Krabben. Mit den meisten Schiffen ließen sich zwar auch Plattfische fangen, das darf der Krabbenfischer aber nur, wenn er über entsprechende Fangquoten verfügt. Die Branche muss also darauf setzen, dass auch in Zukunft genug Krabben zu fangen sind und eben auch nachgefragt werden.
Ein anderes großes Thema ist die Nachfolge. Bei den Krabbenfischern steht in den nächsten Jahren auch ein Generationenwechsel an. Schwierig ist der Einstieg in die Branche vor allem, wenn man kein Schiff aus der Familie übernehmen kann. Dann muss man am Anfang mehrere Hunderttausend Euro in ein Schiff investieren – und das unter unsicheren Aussichten. Ein paar schlechte Jahre gleich zu Beginn können ohne ausreichende Reserven das Aus bedeuten. Entsprechend schwierig ist es, hierfür eine Finanzierung zu erhalten.

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