In ihren Bemühungen um eine MSC-Zertifizierung unterstützen die deutschen Krabbenfischer Umweltverträglichkeitsforschungen und eine ökologisch verträgliche Krabbenfischerei. Dr. Gerd Kraus ist Institutsleiter am Institut für Seefischerei und leitet das Forschungsprojekt MaKramee. Im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet er über die unterschiedlichen Forschungsaktivitäten zur Garnelenfischerei und die Zusammenarbeit mit den Krabbenfischern.


Herr Dr. Kraus, das Thünen-Institut betreibt seit den 80er Jahren Krabbenforschung – das ist eine ziemlich lange Zeit für so ein kurzlebiges Tier. Was ist so schwierig daran?
Das stimmt – diese kurzlebigen Organismen sind schwer zu verstehen, aber deshalb auch unheimlich interessant. Man hat eben nur eine kurze Zeitspanne, um sie zu beobachten. Also braucht man länger. Der Bestand ist getrieben von einem einzigen Nachwuchsjahrgang, damit ist jede Fangsaison sehr unterschiedlich und Vorhersagen äußerst schwierig. Das wollen wir verstehen: Wieso ist das so variabel? Wieso hat man mal ein gutes und mal ein schlechtes Jahr? Sind es die klimatischen oder die Futterbedingungen? Oder die Menge und Art der Räuber? Das ist eine große Herausforderung – aus wissenschaftlicher Sicht extrem spannend.

Gibt es neben der biologischen Komponente noch andere Gründe, die eine Krabbenforschung interessant oder gar notwendig machen?
Unbedingt! Die Krabbenfischerei ist in Bezug auf die Größe ihrer Flotte und der Wertschöpfung eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Fischerei für Deutschland. Also eine ökonomische Größe. Damit besteht seitens der Regierung ein berechtigtes Interesse zu schauen, wie es der Krabbe und den Fischern geht. Die Krabbenfischer selbst haben natürlich ein ureigenes Interesse an der Forschung. Gerade die Vorhersagbarkeit der Fangsaison würde ihnen Planungssicherheit für Investitionen geben. Aber ganz offen gesagt, sind wir da noch nicht so richtig gut.

Dann ist es also normal, dass die Krabbenfischer in Sachen Forschung proaktiv sind, Projekte mit initiieren und unterstützen?
Nein – aber die Beziehungen zu den Krabbenfischern sind traditionell eng und gut, weil wir uns eben seit längerer Zeit intensiv mit dieser Thematik befassen. Hamburg ist quasi der Nukleus der Krabbenforschung. Auch an der Universität Hamburg befasst sich eine Reihe von Wissenschaftlern damit. Wir sind sehr froh über die Aufgeschlossenheit der Fischer, weil viele von den Dingen, die wir hier tun davon leben, dass sie von den Praktikern getestet werden. Und auf dem Weg zur MSC-Zertifizierung sind die Forschungsergebnisse wichtige Indikatoren, die auch Basis von politischen Entscheidungen und Regularien sein können. Deshalb ist es in ihrem Interesse, dass unsere Untersuchungen nah an der Praxis verlaufen und die Ergebnisse entsprechend belastbar sind. Das proaktive Vorgehen schafft sicherlich Handlungsspielräume.
Die Krabbenfischer passen ihre Fänge ja freiwillig so genannten Managementplänen an, um das MSC-Siegel bekommen. Der Prozess gestaltet sich aber schwierig und langwierig.

Woran liegt das?
Die Managementsysteme müssen so gestaltet werden, dass sie für den Sektor und für die Ressource gut funktionieren. Langfristige Managementrahmen oder auch Fangquoten sind bei einem so extrem kurzlebigen Organismus schwierig, eine sinnvolle Art und Weise der Steuerung ist aus unserer Sicht noch nicht gegeben. Genau deshalb machen wir uns über die Entwicklung des Fangaufwandes und der Fänge innerhalb einer Saison Gedanken und wie diese zu steuern sind. Wir machen uns auch über die räumliche Dynamik der Fischerei Gedanken - da wo z.B. besonders hohe unerwünschte oder biologisch sensible Beifänge auftreten müssen Indikatoren entwickelt werden, die das frühzeitig anzeigen und ein entsprechendes Umsteuern ermöglichen. Das sind Fragen, die wir aktuell intensiv bearbeiten. Die Krabbenfischer – und die Krabbe – brauchen eine steuernde Funktion, die den Bestand stabil und die Meeresökosysteme gesund und widerstandsfähig halten. Nur so macht es ökonomisch langfristig auch für die Fischer Sinn.

Das hört sich alles schon sehr reguliert an – mit Fischereiromantik hat das nicht mehr viel zu tun, oder?
Sicher nicht – obwohl die Krabbenfischer immer noch einen Sonderstatus innerhalb der EU haben, sie sind vergleichsweise wenigen Regularien unterworfen. Meine Einschätzung ist, dass dieser Status über Kurz oder Lang nicht zu halten sein wird. Die freie Entfaltung auf See gibt es einfach nicht mehr, dafür konkurrieren zu viele Interessen miteinander.
In den Anfängen der Fischereipolitik – also vor gut 30 Jahren – war es das europäische Ziel möglichst viel aus den Meeren heraus zu holen. Dem folgte ein ausgewogenerer Ansatz: Man wollte Schutz und Nutzung in Einklang bringen. Die letzte Reform hat mit dem Discard-Verbot weitere massive Änderungen gebracht. Umweltaspekte sind noch stärker in den Vordergrund getreten. Die Krabbenfischer waren lange außen vor, weil die Küstengewässer stärker den nationalen bzw. den Handlungsspielräumen der Bundesländer unterworfen sind. Dennoch macht es keinen Sinn, das Küstenmeer separat von den Hoheitsgewässern und der hohen See zu betrachten, da es sich hier nicht um biologische Grenzen handelt. Der Ansatz der Krabbenfischer sich freiwillig einem Managementsystem zu unterwerfen, um Nachhaltigkeitsaspekte zu stärken und das MSC-Siegel zu bekommen, ist sicherlich ein sinnvoller Schritt.

Neben dem Thema Bestandsmanagement – was untersuchen Sie am Thünen-Institut in den Projekten Crannet und MaKramee?
Bei Crannet haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie man die ungewollten Beifänge an untermäßigen Krabben, also zu kleinen Krabben, aber auch Jungfischen reduzieren kann. Wir haben verschiedene Maschenweiten und –typen in Netzen auf einem Forschungsschiff getestet, die langfristigen Effekte auf den Krabbenbestand simuliert und sind in diesem Jahr dann mit optimierten Netzsteerten zusammen mit den Fischern in die praktische Anwendung gegangen. Die Ergebnisse sind vielversprechend und überraschend einfach umzusetzen. Die bestehenden Netze müssen nur marginal verändert werden, um die Maschen zu vergrößern bzw. deren Form zu verändern. Mit größeren Maschen überleben mehr kleine Tiere die weiter wachsen können. Irgendwann sind auch diese groß genug, so dass man am Ende mehr fängt. Der Selektionseffekt funktioniert sehr gut, der langfristige Effekt für die Fischer wird jedoch erst durch den flächendeckenden Einsatz sichtbar werden. Unsere zwei „Testkutter“ haben keine Auswirkung auf die Population. Deshalb kommt jetzt der schwierigste Teil: Die Überzeugungsarbeit. Den Bericht zum Projekt wollen wir im April 2015 vorstellen.

MaKramee versucht neueste Erkenntnisse aus der Vielzahl gerade laufender Projekte mit existierendem Wissen zum Thema Krabbenfischerei zusammenzubringen und daraus ein schlüssiges Gesamtbild über die Krabben und Krabbenfischerei zu entwickeln. Wir haben an diversen Instituten Informationen zu Selektion, Maschentypen und Beifängen, zur räumlichen Verteilung der Krabbe und zu verschiedenen Fangtechniken über die Jahre gesammelt aber versäumt, diese Information einmal systematisch zusammenzufügen. Bis zum Frühjahr 2015 werden wir genau das tun und der Politik sowie allen Beteiligten vorstellen. Wir haben dann eine solide Argumentationsbasis, aus der ein Vorschlag für ein sinnvolles Management abgeleitet werden kann.

2015 wird also ein spannendes Jahr für die Krabbenfischer?
Das denke ich schon – da kommt einiges auf den Tisch! Das meine ich jedoch durchweg positiv – wir haben tolle Ergebnisse aus vielen Projekten. Jetzt ist einfach der Zeitpunkt, sie vorzustellen.

Was forschen Sie dann ab 2015 in Sachen Krabbenfischerei?
Die Populationsdynamik ist und bleibt ein heißes Thema. Was treibt die Bestandsentwicklung in Raum und Zeit wirklich an? Dazu kommen ökonomische und technische Aspekte des gesamten Verarbeitungsprozesses ab Fang. Und ich denke, dass das Thema Pulsbaumkurren, also Elektrofischerei, auch noch nicht zu Ende diskutiert ist. Der Forschungsbedarf ist sicherlich sehr hoch.

Hat die Krabbenfischerei eine Zukunft?
Ich will mir nicht vorstellen, dass die Krabbenfischerei jemals aussterben wird. Die gibt es seit Ewigkeiten und das Interesse an ihr ist ungebrochen. Wie würde denn die Westküste ohne die Krabbenfischer aussehen?! Nicht mal der grünste Politiker würde einen leeren Hafen sehen wollen.


Informationen:
Dr. Gerd Kraus ist seit 2008 Leiter des Hamburger Instituts für Seefischerei am Thünen-Institut. Der 47jährige Kieler promovierte am Institut für Meereskunde der Universität Kiel im Rahmen zweier EU-Großprojekte zur Rekrutierung von Dorsch und Sprotte in der Ostsee. 2006 wechselte er an das Nationale Institut für aquatische Ressourcen der Technischen Universität von Dänemark in Kopenhagen. Dort modellierte er die Auswirkungen von Klimaveränderungen und Fischerei auf die Bestände kommerziell wichtiger Fischarten. Gefühlt verbringt er viel zu viel Zeit in seinem Büro – denn das eigentliche Element eines Fischereibiologen ist natürlich – das Wasser.

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