Sinkende Krabbenbestände, überalterte Flotte, Fanggebietsverluste: Die Fischerei steckt in der Krise. Wie die Zukunft der Branche aussehen könnte.

Wie kann die Fischerei wieder auskömmlich werden? Diese Frage ist Topthema in den Häfen – denn Fanggebiete schrumpfen, die Anforderungen an den Meeresschutz steigen und die Fangmengen sind auf einem historischen Tiefpunkt. Aktuell profitieren die Krabbenfischer zwar von hohen Erzeugerpreisen, aber wenige Wochen mit guten Umsätzen verschaffen den Betrieben zwar etwas Luft, können die Verluste der Jahre 2019 bis 2024 jedoch nicht ausgleichen. Dr. Ralf Döring forscht am Thünen-Institut für Seefischerei zur wirtschaftlichen Situation der Krabbenfischer und sagt: „Jetzt heißt es für die junge Generation: durchhalten. Sie sollten am Ball bleiben. Wir gehen davon aus, dass die Bedingungen wieder besser werden. Wenn die Abwrackprogramme kommen, wird der Druck auf die Krabbenbestände nachlassen. Die verbliebenen Fischer werden dann mehr fangen können und die Umsätze steigen.“ In Deutschland soll die Flotte um ein Drittel schrumpfen, so hat es die Zukunftskommission Fischerei empfohlen. Auch in den Niederlanden werden künftig weniger Fischer ihre Netze auswerfen. Auch hier werden gut 30 Prozent der Flotte abgebaut, das entsprechende Programm hat die EU bereits genehmigt.  

Zukunft der Fischerei: flexibel auf Veränderungen in den Meeren reagieren 

Mehr Effizienz ist wichtig, damit die Fischerei zukunftsfähig wird, aber reichen wird das nicht: „Ich gehe davon aus, dass wir kurzfristige Maßnahmen brauchen, um die Lage der Betriebe zu verbessern. Die Fischer könnten zum Beispiel für ein paar Tage im Jahr Daten sammeln für die Wissenschaft“, sagt Ralf Döring. In den kommenden Jahren wird es darum gehen, den Übergang hin zu einer widerstandsfähigen Fischerei zu organisieren. Widerstandsfähigkeit – das heißt künftig vor allem flexibel sein: heute Krabben fangen, morgen Schollen fischen und übermorgen vielleicht Touristen zu Seehundbänken fahren. Natürliche Schwankungen gab es immer in den Fischbeständen – mit den steigenden Temperaturen in den Meeren wird sich dieser Trend weiter verstärken, so sehen es die Forscher des Thünen-Instituts. In diesem Jahr sind deutschen Fischern allein bis Mai 100 Tonnen Kalmare in die Netze gegangen. Welche Mittelmeerarten eigene Bestände in der Nordsee bilden, ob die eine eigene Fischerei tragen – all das kann die Wissenschaft jetzt noch nicht sagen. Auch das Fischen in Windparks mit Fangkörben könnte sich als Alternative entwickeln – Forschungsprojekte dazu laufen. 

Informations- und Transformationsstelle Fischerei soll Umbruch organisieren 

„Auf die Unsicherheit muss sich die Fischerei einstellen – weg von der Spezialisierung auf einzelne Arten hin zu mehr Flexibilität“, betont Ralf Döring. Den Umbruch soll die Informations- und Transformationsstelle Fischerei begleiten, die gerade am Thünen-Institut entsteht. Sie soll alle Akteure miteinander vernetzen, für Wissensaustausch sorgen und das Bundeslandwirtschaftsministerium zum Beispiel zu Förderprogrammen beraten. Das Thema Förderung wird ein „ganz dickes Brett“ auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft. Die Flotte ist überaltert und die Krabbenkutter sind nicht gemacht für den Einsatz verschiedener Fanggeräte. Erste Pläne für einen „Kutter der Zukunft“ gibt es, nun gilt es daran weiterzuarbeiten und Prototypen zu bauen. Ralf Döring sagt: „Nach unseren Berechnungen ist es am vielversprechendsten, wenn wir künftig kleine sogenannte Wattenkutter haben, die vor den Inseln Krabben fangen. Und dazu größere Kutter, die als Multifunktionsplattform das Fischen verschiedener Arten ermöglichen.“ Das Thema Kutterneubau und damit verknüpft Finanzierungsmodelle für neue Kutter wird ebenfalls ein zentrales Thema für die neue Informations- und Transformationsstelle Fischerei. Denn dass die Familienbetriebe die notwendigen Investitionen selbst stemmen können, gilt in den meisten Fällen als sehr unwahrscheinlich. 

Krabbenpulmaschine bleibt hinter Erwartungen zurück 

Und was ist mit der Krabbenpulmaschine, in die die Fischer große Hoffnungen gesetzt hatten? „Die Entwicklung ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Es ist bisher nicht gelungen, das Verfahren auf große Mengen anzuwenden“, sagt Ralf Döring. Dazu kommt: Auch der Aufbau einer eigenen Vermarktung gilt nach Abschluss des Forschungsprojekts als nur sehr begrenzt möglich. Ursprünglich war die Idee, dass die Fischer ihre Fänge per Pulmaschine entschälen und dann vor Ort vermarkten: „Die Nachfrage in Deutschland ist aber zu gering, auch wenn während der Touristensaison an der Nordseeküste eine gewisse zusätzliche Menge verkauft werden könnte. Insgesamt wird das für Deutschland nicht klappen. Der Aufbau einer entsprechenden Logistik wäre extrem teuer.“ 

„Wir sollten uns darüber einig sein, dass wir unsere Ressourcen in Nord- und Ostsee nutzen“ 

Wie wird es in 10, 15 Jahren an den Kaikanten aussehen? Werden immer noch Fischer ihrem Handwerk nachgehen? Und was werden sie von ihren Fangfahrten mit in die Häfen bringen? Die Branche steht vor einschneidenden Veränderungen. Aber dennoch: Die Nachfrage nach gesundem Fisch ist hoch. Im vergangenen Jahr lag der Pro-Kopf-Fischverbrauch nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung bei 12,1 Kilogramm. Aus heimischer Fischerei kamen jedoch nur rund 20 Prozent. Ralf Döring sagt: „Ich finde, wir sollten uns darüber einig sein, dass wir unsere Ressourcen in Nord- und Ostsee auch nutzen. Es kann nicht sein, dass woanders die Meere leergefischt werden und wir ausschließlich importieren. Hier können wir auch die Art der Fischerei beeinflussen, unter anderem welche Fanggeräte eingesetzt werden.“

 

 

 

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