Quelle: Helmholtz-Zentrum Hereon

In der Nordsee sollen jede Menge neue Windparks entstehen. Das ist gut für den Klimaschutz, die Fischer aber könnten die Verlierer der neuen Offshore-Anlagen werden. Sie wünschen sich mehr Anstrengungen, um den begrenzten Platz gemeinsam zu nutzen.

Frei und unberührt ist die Nordsee – zumindest in der Vorstellung der meisten Strandspaziergänger. Tatsächlich wird jedoch um den Raum vor den Küsten hart gekämpft. Das „Spielfeld“ steckt der Raumordnungsplan für Nord- und Ostsee ab. Hier ist geregelt, welche Nutzung wo bevorzugt stattfinden soll. Deutlich mehr Platz wird künftig für die Offshore-Windenergie reserviert, das sieht der neue Plan vor, der im Herbst beschlossen wurde. Derzeit stehen in dem Gebiet zwischen 12 bis 200 Seemeilen vor der deutschen Küste rund 1.500 Windräder mit einer Leistung von knapp acht Gigawatt. Mit dem neuen Plan ermöglicht der Bund einen Ausbau auf ganze 40 Gigawatt bis 2040. Für neue Windparks ist ein Gebiet von rund 5.379 Quadratkilometern vorgesehen – die Fläche ist etwa doppelt so groß wie das Saarland.

Vor allem Kabel behindern die Krabbenfischerei

Für die Fischerei birgt der neue Plan massive Folgen. Auf den ersten Blick gehen den Krabbenfischern nach derzeitigem Stand Fanggebiete verloren. Mindestens genauso viele Sorgen machen den Fischern aber die neuen Kabel, die den Strom von den Windparks zum Festland transportieren. Diese Stromkabel schneiden quer durch die niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Fanggründe. Normalerweise werden Kabel so tief eingebuddelt, dass die Netze ungehindert über den Meeresgrund gezogen werden können. Aber an den Kabelkreuzungen werden Steine aufgeschüttet, um alles zu sichern. Die Anzahl dieser Kreuzungen steigt stetig, auch durch die sogenannten Interkonnektoren – das sind Kabel, die die Stromnetze der europäischen Länder miteinander verknüpfen. Im Mai ist zum Beispiel der Interkonnektor NordLink an den Start gegangen. Das Kabel verbindet Norwegen und Deutschland. Ziel: Wenn wenig Wind weht, wird norwegischer Strom aus Wasserkraft nach Deutschland importiert. Drehen sich die Windmühlen auf der Nordsee hingegen kräftig, wird Windstrom nach Norwegen geliefert. Geplant ist außerdem ein Interkonnektor zwischen Deutschland und Großbritannien. Je stärker die nationalen Stromnetze verbunden werden, desto mehr Seekabel werden künftig verlegt – ergo mehr Kabelkreuzungen.

Die Fischer beklagen, dass der Druck in den Fanggebieten immer mehr zunimmt. Die Fangfahrten werden wegen dieser punktuellen Hindernisse deutlich schwieriger. Diese Belastung werde zu wenig berücksichtigt, finden die Fischer. Entwickelt werden die marinen Raumordnungspläne vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Das Amt verweist darauf, dass in dem neuen Plan erstmals ein Vorbehaltsgebiet für die Fischerei vorgesehen ist. Das nutzt allerdings nur den Kaisergranat-Fischern, denn der Kaisergranat braucht Schlick um seine Höhlen zu bauen und kommt deshalb nur an bestimmten Orten vor. Krabben sind deutlich mobiler, für sie ist die Ausweisung bestimmter Gebiete keine Lösung, weil sie überall leben.

Mehr gemeinsame Nutzung der Nordsee ermöglichen

Die Energiewende muss kommen, das sehen auch die Fischer so. Sie wünschen sich aber mehr Balance zwischen den verschiedenen Nutzergruppen. Ein erster, wichtiger Schritt dafür ist gemacht: die Fischer sollen künftig Windparks mit ihren Kuttern durchqueren können und so unnötige Wege sparen. Die Fischer wollen aber mehr – nämlich auch in den Windparks auf Fang gehen. Anna Hunke vom BSH sagt dazu: „Ferner soll 2023 ein Forschungsvorhaben starten, das die Verträglichkeit unterschiedlicher Formen der Fischerei innerhalb von Windenergieparks untersucht.“ Das Fischen mit Baumkurren wie in der Krabbenfischerei ist zu gefährlich, aber das Fischen mit Körben oder Reusen ist durchaus vorstellbar. Allerdings werden die Fischer Unterstützung benötigen, um diese Transformation zu meistern. Denn bei aller Lust auf Innovation fehlen den Fischern für die notwendigen Investitionen nach drei wirtschaftlich schwierigen Jahren die Rücklagen.

Webanwendung zur Raumordnung der Nordsee

Übrigens: Wer einen Einblick in die vielfältige Nutzung der Nordsee bekommen will, klickt sich durch die Webanwendung des Helmholtz-Zentrums Hereon. Die Karten verzeichnen Windparks, Schiffverkehrsrouten, Daten- und Stromkabel, Pipelines, Natura-2000-Gebiete, Rohstoffgewinnungsgebiete und vieles mehr. Jahrhundertelang waren die Fischer quasi allein auf der Nordsee, heute konkurrieren hier zahlreiche Interessen und ein faires Miteinander ist notwendig.

 

 

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